Die Wirtschaft hat einen fundamentalen Konstruktionsfehler: Sie produziert grundsätzlich an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Das heißt: Sie produziert einerseits in wachsendem Maße nutzlose und schädliche Dinge; und andererseits produziert sie nützliche und notwendige Dinge nicht oder verhindert deren Konsum, indem sie sie nach ihrer Herstellung wieder vernichtet. Beides aus demselben Grund: Die Ökonomie unterscheidet nicht zwischen Bedürfnis und Nachfrage. Bedürfnisse sind durch das Leben und das Zusammenleben gegebene Notwendigkeiten und betreffen das, was Menschen brauchen, um leben und überleben zu können. Unter Nachfrage versteht man den Wunsch, bestimmte Waren auf dem Markt zu erwerben. Absurderweise bedeuten die beiden Begriffe in der Wirtschaft das Gleiche. Besser: Bedürfnisse, die sich nicht in Kaufkraft äußern, gelten als nicht vorhanden. Sie werden nur wahrgenommen, wenn sie in der Gestalt einer Nachfrage auf dem Markt auftreten. Und umgekehrt gilt: Wo für ein Produkt eine Nachfrage auf dem Markt besteht, da stellt sich die Frage nicht, ob es auch einem menschlichen Bedürfnis entspricht. Das ist für das ökonomische Denken nicht von Belang.
Hinter diesem Sachverhalt steht der grundsätzliche Unterschied zwischen Gütern und Waren. Wie der Unterschied zwischen Bedürfnis und Nachfrage wird auch er von der Wirtschaft nicht wahrgenommen. Er ist den meisten Menschen nicht bewusst. Eine Ware ist ein Gut, das man produziert, um es zu verkaufen, ein Gut, das auf dem Markt erscheint. Die Wirtschaft produziert Güter dann und nur dann, wenn die Aussicht besteht, dass sie verkauft werden können. Wenn diese Aussicht nicht besteht, werden sie nicht produziert. Und wenn sie sich hinterher als unverkäuflich erweisen, werden sie im Regelfall vernichtet. Das heißt: Im Kapitalismus werden Güter grundsätzlich als Waren und nur als Waren produziert.
Der Zusammenhang zwischen der Produktion einer Ware und der Aussicht auf ihre Verkäuflichkeit ist so zwingend, dass er als eine nicht auflösbare Einheit gilt. Wer nicht erwarten kann, seine Ware verkaufen zu können, stellt sie erst gar nicht her. Der tiefste Grund der Warenproduktion liegt demnach nicht in menschlichen Bedürfnissen, die befriedigt werden müssen. Er liegt in der Tatsache, dass man damit Geld verdienen kann. Brot wird nur gebacken, Häuser werden nur gebaut, Kleider werden nur genäht, Autos werden nur produziert, Filme werden nur gedreht, wenn eine zahlungsfähige Kundschaft die Hoffnung erlaubt, dass diese Waren Käufer finden werden. Aber es wird kein Brot gebacken, kein Haus gebaut und so weiter, wenn diese Hoffnung nicht besteht. Allgemein gilt, abgesehen von allen Bedürfnisfragen, dass produziert wird, womit sich Geld verdienen lässt, und dass nicht produziert wird, was nicht bezahlt werden kann. Die Bedürfnisse der Menschen nach Nahrung, Kleidung, Wohnen, Mobilität, Kultur sind gegenüber der Notwendigkeit des Geldverdienens von untergeordneter Bedeutung, obwohl in den Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre das Gegenteil steht.
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